Was ist Digitalethik und warum beschäftigt sich die Post damit?
Wenn wir im Internet surfen, Werbung oder Produkte ansehen oder einkaufen hinterlassen wir persönliche Daten. Jede Nutzerin und jeder Nutzer hat den Anspruch, dass Unternehmen, die unsere digitalen Daten erhalten, korrekt mit ihnen umgehen. Aber nicht alles, was gesetzlich nicht verboten ist, ist per se auch ethisch. Wie schaffen Unternehmen und Behörden angemessene Transparenz über die Datennutzung? Wie gestalten sie faire Prozesse, um die Autonomie und Privatsphäre der Kunden zu schützen? Bei diesen Fragestellungen unterstützt die Digitalethik.
Als Schweizerische Post geniessen wir seit 175 Jahren das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung. Dieses Vertrauen verpflichtet. Die Post will im Bereich Digitalethik vorangehen und für die Schweizer Wirtschaft eine Vorreiterrolle einnehmen.
Sie sind seit rund zwei Jahren verantwortlich für das Thema Digitalethik bei der Post. Was haben Sie in dieser Zeit erreicht?
In einem ersten Schritt haben wir einen Orientierungsrahmen geschaffen. Unsere Werte geben unter anderem vor, dass Kunden Onlinedienste selbstbestimmt nutzen können, Bescheid wissen, wofür ihre persönlichen Daten genutzt werden und ihre Privatsphäre dabei gewahrt wird.
Digitalethik lässt sich nicht auf Knopfdruck einführen. Unser Ansatz ist es, Hilfsmittel bereitzustellen und die Mitarbeitenden zu befähigen. Die Fachleute berücksichtigen so bereits zum Start eines Projekts digitalethische Prinzipien und entwickeln ihr Produkt so mit Digitalethik «by Design». Seitens der Fachstelle Digitalethik stehen wir diesen Projekten beratend zur Seite.
Gibt es ein Leuchtturmprojekt, auf das Sie stolz sind?
Ganz aktuell haben wir für unsere Daten- und Analyselösungen im Werbemarkt das Data Fairness Label erhalten. Dieses steht für den transparenten und verantwortungsvollen Umgang bei der Bearbeitung und Analyse von grossen Datenmengen. Im letzten Sommer haben wir zudem bereits unseren beliebtesten Onlinedienst «Meine Sendungen» mit 2.3 Millionen Nutzerinnen und Nutzer prüfen lassen und das Label «Digital Trust» der Swiss Digital Initiative erhalten. Es sind aber nicht nur die Projekte mit Sichtbarkeit, die etwas bewegen. Am meisten freut es mich, dass in diversen Projekten Digitalethik von Anfang an mitgedacht wird.
Für wen ist Digitalethik relevant?
Für jede Organisation, die mit ihren Anspruchsgruppen digital in Kontakt tritt, ist Digitalethik relevant. Die öffentliche Verwaltung zum Beispiel setzt seit Jahren vermehrt auf digitale Dienstleistungen und verfügt über viele sensible Daten. Anders, als beim Kauf eines Produkts, können die Bürgerinnen und Bürger nicht wählen, ob ihre Gemeinde oder ihr Kanton ihre persönlichen Daten erhält und digital verwaltet. Es besteht also eine Abhängigkeit und daraus eine besondere Bedeutung der digitalethischen Prinzipien.
Christina Meyer, verantwortlich für Digitalethik bei der Post
« Wo die Ressourcen knapp sind, besteht der Druck, die Effizienz zu steigern. Hier kann Technologie, beispielsweise künstliche Intelligenz aushelfen […]. Setzt man diese jedoch ein, ohne digitalethische Prinzipien zu berücksichtigen, kann dies zu systematischer Benachteiligung und in der Folge zu kostspieligen Nachbesserungen führen. »
Christina Meyer
Was gilt es in Bezug auf Digitalethik und künstliche Intelligenz zu beachten?
In der Schweiz gibt es noch keine KI-spezifischen gesetzlichen Grundlagen. Der Bund hat eine Auslegeordnung angekündigt, wobei er den Rechtsrahmen, welchen die Europäische Union erarbeitet hat (EU AI Act), berücksichtigen wird. In neuen Themenfeldern, die nicht spezifisch rechtlich geregelt sind, erhält die Digitalethik zusätzliche Bedeutung. Wir haben uns bei der Post auch intensiv mit dem Thema vertrauenswürdige künstliche Intelligenz befasst und Leitlinien definiert.
Warum sollte sich eine Verwaltung, deren Ressourcen knapp sind gerade mit dem Thema Digitalethik befassen?
Wo die Ressourcen knapp sind, besteht der Druck, die Effizienz zu steigern. Hier kann Technologie, beispielsweise künstliche Intelligenz, unterstützen, indem sie eine datenbasierte Auswahl trifft oder Berechnungen als Entscheidgrundlage liefert. Setzt man künstliche Intelligenz jedoch ein, ohne digitalethische Prinzipien zu berücksichtigen, kann dies zu systematischer Benachteiligung und in der Folge zu kostspieligen Nachbesserungen führen. Es sind Beispiele aus der Personalrekrutierung oder der Zuteilung von Sozialhilfegeldern bekannt, wo die künstliche Intelligenz eine Auswahl getroffen hat, die Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund diskriminiert hat. Intern kann der Einsatz neuer Technologien zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden führen, wenn sie sich durch diese Hilfsmittel bevormundet oder überwacht fühlen.
Wie gelingt es, digitalethische Prinzipien einzuführen?
Es braucht nicht jede Organisation einen eigenen Beauftragten für Digitalethik. Ein niederschwelliges Vorgehen ist möglich, wenn sie ihre Mitarbeitenden über die Grundsätze der Digitalethik sensibilisiert und einen Orientierungsrahmen schafft. So können Mitarbeitende in der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten die relevanten Prinzipien berücksichtigen. Wichtig ist, dass die Verantwortlichkeit für Digitalethik definiert ist und die Unterstützung auf Führungsstufe gesichert ist.
Eine Chance sehe ich auch im Zertifizierungsprozess. Wenn Sie Onlinedienste durch zuständige Stellen prüfen lassen, erhalten Sie externe Impulse und öffentliche Sichtbarkeit. Zudem hilft dieser Prozess, das Verständnis für das neue Thema intern zu stärken und Abläufe zu verankern.
Digitalethik in der Praxis
Im Faktenblatt «Digitalethik konkret» erhalten Sie weitere Informationen, nützliche Tipps und weiterführende Links, wie sie digitalethische Grundsätze bei der Einführung von digitalen Dienstleistungen berücksichtigen können. Jetzt herunterladen: