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E-Voting: Was man hier darunter versteht – und anderswo

Seit 2004 sammelt die Schweiz Erfahrungen mit dem Stimmkanal E-Voting: der Möglichkeit, ortsunabhängig online abzustimmen oder zu wählen. Welche Formen der elektronischen Stimmabgabe gibt es weltweit? Ein kurzer Einblick.

Unter E-Voting wird nicht überall auf der Welt das Gleiche verstanden. In der Schweiz ist es die Möglichkeit, seine Stimme bei politischen Wahlen und Abstimmungen ausserhalb des Wahllokals online über das Internet abzugeben. Gebräuchlich ist auch der Begriff elektronischer Stimmkanal. In anderen Ländern wiederum kann E-Voting bedeuten, dass man direkt im Wahllokal seine Stimme an einer Wahlmaschine abgibt – die dabei nicht immer mit dem Internet verbunden sein muss. Die Einführung von E-Voting ist in der Schweiz, im Gegensatz zu anderen Ländern, eine technische Erweiterung der Briefwahl ohne fundamentale Änderung an der Stimmabgabekultur.

 

Die drei Stimmkanäle in der Schweiz

 Übersicht über die verschiedenen Stimmkanäle

 

In der Schweiz existieren drei Stimmkanäle:

 

  1. Urne (physisch (mit Papier) / an einem geschützten Ort):
    Im Wahllokal werden die Abstimmungsunterlagen ausgefüllt und in die Urne geworfen,
  2. Briefwahl (physisch (mit Papier) / beliebiger Ort für den Wähler, z.B. zu Hause)
    Die ausgefüllten Abstimmungsunterlagen werden vor dem Abstimmungssonntag der Gemeinde per Post zugeschickt oder in den Briefkasten der Gemeinde geworfen.
  3. Online (digital / beliebiger Ort für den Wähler, z.B. zu Hause):
    Die Stimmberechtigten können ortsunabhängig, ausserhalb des Wahllokals am PC, Tablet oder Smartphone via Internet wählen oder abstimmen. Diese Form von E-Voting wird international auch Online-Voting oder I-Voting genannt.

 

Im Ausland: E-Voting im Wahllokal

In vielen anderen Ländern bedeutet E-Voting die Stimmabgabe mit Unterstützung von Geräten im Wahllokal selbst, überwacht von Vertretern staatlicher oder unabhängiger Wahlbehörden. Die Stimmberechtigten geben ihre Stimme an sogenannten Wahlmaschinen ab. Diese Hardware ist entweder mit dem Internet verbunden (s. Grafik unter 4.) oder nicht (s. Grafik unter 5.). Es gibt dabei verschiedene Ausprägungen, von einfachen Maschinen mit physischen Buttons bis zu Touchscreen-Varianten.

 

Ein Beispiel hier ist Brasilien, dessen Wahlsystem sehr komplex ist. Mitte der 1990er Jahre wurde dort die elektronische Stimmabgabe vor Ort eingeführt. Dies, um Wahlbetrug vorzubeugen, die Ergebnisse schneller und korrekter zu erfassen und die Zugänglichkeit für die Wähler zu verbessern. Auch in den USA wird häufig an Wahlcomputern gewählt – mit mehr oder weniger Erfolg.

 

Wahlmaschinen: wartungsintensiv und nicht unumstritten

Problematisch beim Einsatz dieser Geräte ist, dass sie wartungsintensiv sind und technologisch schnell veralten. Müssen sie am Ende ihrer Lebensdauer ersetzt werden, zieht dies massive Investitionen nach sich. Zudem scheint nicht immer gewährleistet zu sein, dass die Wahlcomputer konsequent abgeschottet und vor Angriffen geschützt werden: So wird Russland verdächtigt, in Wahlcomputer einiger Bundesstaaten der USA eingedrungen zu sein. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht 2009 die Nutzung von Wahlcomputern verboten; auch in Irland und den Niederlanden werden sie nicht mehr eingesetzt.

 

Vom Wahllokal zu Online-Voting: Kritische Stimmen

Auch E-Voting via Internet ausserhalb des Wahllokals ist umstritten. Neben der Schweiz bieten unter anderem Estland und Australien eine solche Art der elektronischen Stimmabgabe an. Finnland hingegen hat sich 2017 gegen deren Einführung entschieden. Eine von mehreren Begründungen: Man fürchtet, ausserhalb der kontrollierten Umgebung des Wahllokals könnten Stimmen erzwungen oder gekauft werden. Ausserdem könnte das Stimmgeheimnis gefährdet sein, wenn zu Hause beispielsweise familiennahe Personen Druck oder Kontrolle ausübten. Dieselben Argumente könnte man auch gegen die briefliche Stimmabgabe anführen.

 

E-Voting als digitale Alternative zur Briefwahl

Die briefliche Stimmabgabe ist in der Schweiz jedoch aufgrund einer mehr als 30-jährigen positiven Erfahrung etabliert und geniesst hohes Vertrauen. Hierzulande ist es seit Jahrzehnten politisch akzeptiert, dass die Stimmabgabe in einer nicht behördlich kontrollierten Umgebung im privaten Bereich stattfinden kann – und dass die Post die Übermittlung der Stimmen übernimmt. So fördern auch Bund und Kantone das E-Voting, das die Kultur und die Tradition der politischen Rechte in der Schweiz aufnimmt und sie in die Technologien des 21. Jahrhunderts übersetzt.

 

Dies unterscheidet die Schweiz von Staaten, in denen die briefliche Stimmabgabe unüblich oder nur für bestimmte Personengruppen vorgesehen ist, z.B. Menschen mit einer Behinderung, Militärdienstleistende im Ausland oder abgelegen wohnende Personen. In diesen Ländern stellt E-Voting online von zu Hause aus einen echten Paradigmenwechsel dar. Nicht aber in der Schweiz, wo E-Voting keine Veränderung der Stimmabgabekultur nach sich zieht. Diesen Kulturwechsel hat die Schweiz mit der Briefwahl bereits hinter sich.

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