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Digital Health

Das Gesundheitswesen der Zukunft: «Die Digitalisierung dient nicht als Selbstzweck, sondern als Unterstützung für Menschen»

Um die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten besser zu adressieren und die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern, steht ein Paradigmenwechsel hin zur ambulanten und integrierten Versorgung bevor. Im Interview teilt Prof. Dr. Franz Benstetter, Professor für Sozialversicherungen und Gesundheitsökonomie, seine Erkenntnisse darüber, wie Patientinnen und Patienten aktiv in die Gestaltung einbezogen werden können.

08.05.2024

Prof Dr Franz Benstetter (1)

 

 

Herr Benstetter, wie können Patientinnen und Patienten aktiv in die Gestaltung ambulanter und integrierter Versorgungskonzepte einbezogen werden, um deren Bedürfnisse besser zu adressieren und die Zufriedenheit zu erhöhen?  

Die erfolgreiche Implementierung ambulanter und integrativer Versorgungskonzepte erfordert eine Änderung der Sichtweise der Akteure im Gesundheitsmarkt und die aktive Beteiligung der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen. Eine patientenzentrierte Versorgung beinhaltet das Erheben und Erkennen von aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen der Zielgruppen, indem beispielsweise mündliche und schriftliche Befragungen mit dem Design Thinking Ansatz verknüpft werden. Auch die Einbindung regionaler Unterstützungsstrukturen wie Patientenverbände und soziale Dienste in die Bedürfnisanalyse und in die Ausarbeitung neuer Versorgungskonzepte ist wichtig. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür findet sich in Finnland, wo Präventionsprogramme auf Gemeindeebene etabliert wurden, die eine Zusammenarbeit verschiedener Akteure zur Förderung gesunder Lebensweisen umfassen. Es ist entscheidend, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu ermitteln und neue Versorgungsformen bezüglich Akzeptanz und Qualität zu bewerten. Ambulantisierungskonzepte sollten durch ein Monitoring der Versorgungsziele begleitet werden, wobei Feedback von Patientinnen und Patienten insbesondere durch PREMs* und PROMs** einzubeziehen sind. Eine verstärkt partizipative Versorgungsforschung ist unerlässlich, um akzeptierte Versorgungslösungen zu entwickeln und in den jeweiligen Gesundheitssystemen zu multiplizieren.

 

Sie haben erwähnt, dass durch die Ambulantisierung Kostenreduktionen erreicht werden können. Ist dies so eingetroffen, wie erhofft?  

Ambulantisierung führt gemäss der Studienlage zu mehr Kosteneffizienz und berücksichtigt die Opportunitätskosten, indem sie unter anderem die medizinische Versorgung im ländlichen Raum stärkt. Erfolgsmodelle in Spanien, Dänemark und den USA umfassen Gesamtvergütungen für Behandlungspfade wie beispielsweise sogenannte Bundled Payments und regionale Gesundheitsbudgets. Diese Modelle sind vielversprechende Ansätze für eine effektive und effiziente Ambulantisierung und sektorenübergreifende Versorgung. Operativ erfolgreiche Länderbeispiele zeigen, dass durch innovative und stringente Vergütungs- und Ambulantisierungsstrategien stationäre Leistungen und Doppelleistungen vermieden sowie Opportunitätskosten beispielsweise durch verkürzte Wartezeiten reduziert werden können. Gesundheitssysteme, die frühzeitig einen hohen Anteil von ambulanten Operationen an den gesamten Operationen durch sektorenangleichende Vergütungssysteme ermöglicht haben, stellen in der Regel auch stärker integrierte Gesundheitssysteme mit höherem Kostenersparnispotenzial dar. Um die Effizienzstärke zu heben, müssen aber Gesetzgeber, Leistungserbringer und Kostenträger die sektoralen Hürden an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Behandlung eliminieren.  

 

Welche Länder haben das grösste Potenzial für eine erfolgreiche Ambulantisierung und integrierte Versorgung? Und was kann die Schweiz von ihnen lernen? 

Internationale Beispiele wie Finnland, Frankreich, Spanien und Dänemark zeigen die Effizienz- und Qualitätspotenziale von Ambulantisierungs- und Integrationskonzepten, die für die Schweiz, und für viele weitere Länder, relevant sind. Auch wenn durch die Komplexität der unterschiedlichen Gesundheitssysteme erfolgreiche Versorgungslösungen selten 1:1 übertragen werden können, können Konzepte und einzelne Elemente erfolgreicher Umsetzungen Innovationsanreize liefern. Beispielsweise bietet Finnland seiner Bevölkerung durch Walk-In-Clinics einen niederschwelligen Zugang zu Prävention und Vorsorge. In Frankreich wird eine zielgerichtete Ambulantisierung durch präventive Gesundheitsprogramme gefördert, insbesondere mithilfe einer frühzeitig erfolgten Einführung des elektronischen Patientendossiers. In Dänemark werden Behandlungen durch integrierte Versorgung mit Standardisierung von Patientenpfaden, digitalen Gesundheitsservices sowie Transparenz- und Rechenschafspflichten der Leistungserbringer präferiert und systematisch ambulant durchgeführt. Diese Beispiele zeigen, wie Ambulantisierungspotenziale entlang der Patientenpfade geschaffen werden können. Dabei ist eine aktive Rückmeldung der Patientinnen und Patienten zur Prozess- und Ergebnisqualität wichtig. Die Umsetzung sollte zudem durch Versorgungsziele, Monitoring und qualitätsbasierte Vergütungselemente begleitet werden.

 

Wie beeinflusst die Verschiebung der Versorgung ins Zuhause die Behandlung von älteren und chronisch kranken Personen? Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie?  

In Disease-Management-Programmen in verschiedenen Ländern und Forschungsprojekten wie DeinHaus 4.0 werden vorhandene Anwendungen und digitale Technologien bedarfsorientiert zusammengeführt und die Versorgung findet in der eigenen Wohnung statt. Integraler Bestandteil dieser Programme ist das kontinuierliche Monitoring von Vitalparametern, was eine Fernanalyse des Gesundheitszustands und das Erkennen kritischer Trends ermöglicht und gleichzeitig Lebensstiländerungen und Selbstmanagement bei chronischen Krankheiten unterstützt. Beispielsweise hat die Daman National Health Insurance in Abu Dhabi ein patientenzentriertes Disease-Management-Programm für Adipositas eingeführt, das Telecoaching, Telemonitoring und Teilnehmerschulung kombiniert, um Lebensgewohnheiten zu verbessern. Die Digitalisierung dient somit nicht als Selbstzweck, sondern als Unterstützung für Menschen, wobei der erlebbare Nutzen und die Förderung von Gesundheits- und digitaler Kompetenz wichtige Herausforderungen bei der Implementierung sind. 

 

Welche digitalen Tools oder Plattformen sehen Sie als besonders vielversprechend an, um die ambulante Versorgung zu verbessern?  

Eine gut entwickelte digitale Informations- und Kommunikationsinfrastruktur wird zunehmend wichtig für eine optimierte Ambulantisierung, da sie bestehende Versorgungspfade erweitert, begleitet und integriert. Patientinnen und Patienten haben Zugang zu immer mehr evidenzbasierten digitalen Gesundheitsanwendungen, die Diagnostik, Therapie und Rehabilitation bei chronischen Erkrankungen unterstützen. Datenbasierte Informationen im Gesundheitswesen bieten vielfältige Möglichkeiten für Gesundheitsmonitoring, individuelle Gesundheitsplanung und präzise Vorhersage von Gesundheitsrisiken. Datenanalyse, insbesondere mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), ermöglichen die sinnvolle Nutzung des Informationspotenzials zur Gesundheitserhaltung und -verbesserung. Elektronische Gesundheitsdossiers sind dabei entscheidend für die elektronische Kommunikation und den Einbezug relevanter Daten in die Anamnese und Notfallversorgung. Digitale Gesundheitsplattformen ermöglichen eine nahtlose Vernetzung und Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen, einschliesslich Telemedizin und Sensorik. Und zukünftige Gesundheitsplattformen integrieren Versorgungsketten, wie vorhin kurz erwähnt, mit dem häuslichen Umfeld als Point of Care und verbessern so die Ambulantisierungsperformanz.

 


 

* Patient-reported experience measures (PREMs) fokussieren sich auf prozessorientierte Indikatoren der medizinischen Versorgung (z.B. Kommunikation mit dem Ärzte- und Pflegepersonal, Wartezeit, Koordination und Austritt). Es gibt weitere Arten von patientenrapportierten Informationen (z.B. über die Aktivität oder über den Genuss von Alkohol) und patientengenerierten Daten (z.B. Fitness-Tracker, Self-Monitoring des Blutdrucks) 

** Patient-reported outcome measures (PROMs) messen die Einschätzung des Gesundheitszustands eines Patienten bzw. einer Patientin z.B. in Bezug auf ihre Einschränkung der Mobilität, Kontinenz etc. 

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